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Streit-Simulation

ERNST WAGNER, NILS PETERS

In einer Übung an der Universität Oldenburg haben die Studenten nach der Beschäftigung mit Luc Courchesnes Arbeit Portrait One versucht, diesen künstlerischen Ansatz für ein eigenes Vorhaben produktiv zu machen.

Beim Start von Courchesnes Programm erscheint das Portrait einer jungen Frau, die den Betrachter lächelnd anschaut. Verschiedene Textzeilen (mögliche Antworten auf Aussagen der Frau) dienen jeweils als Auswahlmenue, die zu weiteren Teilen des interaktiven Dialogs führen. Die Pfade durch die Dialoge entsprechen zum Teil sinnvollen, alltäglichen Kommunikationsmustern, zum Teil sind sie sprunghaft oder poetisch. Für den Nutzer des Systems ist nicht erkennbar, welche seiner Antworten weiterführen und in welche Richtung sie steuern. Einige führen offensichtlich zum Abbruch des Dialogs. Die Themen spielen auch mit der möglichen Beziehung zwischen Frau und Betrachter. Andere Aussagen thematisieren darüber hinaus die Existenz der weiblichen Person ausschließlich in der Realität des Mediums. So wechselt Alltagskommunikation mit der Diskussion philosophischer Themen, Flirt mit ironischer Brechung. Nach einiger Zeit der Interaktion wechselt der Akteur in einen Selbstbeobachtungsmodus: Betrachtete er anfangs die Frau, schlägt dies nun in Selbstbeobachtung um: Spielerisch erprobt er verschiedene Modelle für die eigene Reaktion im virtuellen Raum und beobachtet sich dabei selbst. Schließlich treten die ästhetischen Muster und kunstgeschichtlichen Darstellungstraditionen in den Blick. Das Werk wird so auch zu einer Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit, im Medienzeitalter ein Portrait anzufertigen.

 
 

Das Verfahren Courchesnes ist direkt auf eigene Aufgaben im Unterricht übertragbar. Dabei ist eine genaue Planung notwendig. (Welche Art des Dialoges soll erzeugt werden? Gibt es eine Dramaturgie? Wie enden die Dialoge? So entsteht ein Drehbuch der Verlaufsstrukturen als Netz- und Baumdiagramm.) Es ist wichtig, nur einfachste Strukturen zu erzeugen, da die Verzweigungen schnell unübersichtlich werden. Die Ausgestaltung der einzelnen Stränge kann nur den Einzelnen überlassen werden. Es ist am besten, mit einem HTML-Editor zu arbeiten, der Templates erzeugt. (So müssen in "vorgefertigte Seiten" nur noch Bilder und Texte eingefügt werden.) Eine einzelne Personen wird dann in möglichst vielfältigen emotionalen Zuständen fotografiert. Dann erstellen Einzelne oder sehr kleine Gruppen Teile des vereinbarten Drehbuchs, die gemeinsam miteinander verlinkt werden.

Das Projekt Streitportrait soll die Gestaltungsmöglichleiten der Interaktion erproben. Hierbei wird der Benutzer unabhängig von seinen eigenen Absichten immer tiefer in ein Streitgespräch verwickelt.

 

Eine ausführliche Darstellung zu Courchesne finden Sie unter http://www.zum.de/Faecher/Materialien/ludwig/wagner/courchesne/courchesne.htm.